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Zeit zum Reden für Jedermann

Der Informations- und Gesprächsladen Kontaktpunkt, gegenüber der katholischen Kirche, besteht seit 15 Jahren. Gerade in Corona-Zeiten ist er wichtiger Anlaufpunkt für alle, die in belasteten Situationen Orientierung suchen. Jeder ist willkommen, gleich welcher Konfession.

Rainer Ziegler, Leiter des Kontaktpunkts, lädt ein: Jetzt, wo die Menschen langsam wieder aufeinander zugehen können, können Gespräche ein Mittel sein, coronabedingte persönliche oder familiäre Krisen aufzuarbeiten und zu bewältigen. Wenn etwa durch Kita- und Schulschließung, Homeoffice, Kurzarbeit oder gar Arbeitslosigkeit bedrückende Enge zu Hause entsteht, die zu Streit, Auseinandersetzungen bis hin zu häuslicher Gewalt führen kann. Dann sollte es doch hilfreich sein, jemanden zu wissen, der die Dinge von außen sieht, fachlich qualifiziert ist, zuhören kann und Zeit für sein Gegenüber hat. Genau das wird im Kontaktpunkt angeboten. Einfach hineingehen und angenommen werden - ohne lange Terminvereinbarung. Das ist es, was den christlichen Treff auszeichnet: "Wir haben wochentags täglich geöffnet, Gesprächspartner sind immer vor Ort, aber dennoch haben wir derzeit weniger Beratungen als vor Corona. Vielleicht sind wir doch nicht so bekannt, folgert der Pastoralreferent."

Hineingehen und angenommen werden

Dabei werden in der von-Hessing-Straße 1 nicht nur Gespräche geführt. Willkommen ist auch, wer ein Gotteslob sucht, eine Bibel kaufen will, sich von Benediktiner-Pater Anselm Grüns Bücher inspirieren lassen möchte oder sich für den Glaubensweg von Kardinal Julius Döpfner interessiert.

Die christliche Begegnungsstätte wurde vom damaligen Stadtpfarrer Thomas Keßler initiiert und von Rainer Ziegler bewusst als Gesprächsladen mit kleinem Verkaufsraum für Bücher, Schriften, Devotionalien und bewusst großzügigen Öffnungszeiten konzipiert. Es gibt häufig kleine Ausstellungen, und dem Jakobspilger wird die Übernachtung in der Stadt organisiert. Getragen wird der Kontaktpunkt von der Diözese, er ist gleichzeitig auch Anlaufstelle für den gesamten Pastoralen Raum Bad Kissingen.

Zuhören und nicht werten

"Wir möchten Mut machen, hereinzukommen, die Schwelle der Tür und die im Herzen zu übertreten", meint Mitarbeiterin Christine Zeuke, denn "wir werden gebraucht". Das ist der Eindruck, den wir oft haben, wenn die Leute dann wieder gehen. Das motiviert ein qualifiziertes Team aus insgesamt 25 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die engagierten Seelsorger, Theologin, Familienberaterin wollen unkompliziert da sein und vor allem zuhören. Man nimmt sich Zeit, niemand wird nach kurzem Austausch und knapper Analyse mit einem Rat nach Hause geschickt. Denn "auch Ratschläge sind Schläge", zitiert Ziegler Erkenntnisse aus der Psychoanalyse. "Werten ist nicht unsere Aufgabe - und missionieren auch nicht", umreißt er das Credo für die Gespräche. In einem separaten Zimmer können auch vertiefte Seelsorge-Gespräche geführt, oder mit einer Psychologin kurzfristig Termine vereinbart werden.

Antwort auf die Krise der Kirche

Nicht zufällig liegt auf dem Besuchertischchen im Laden ein Buch von Kardinal Reinhard Marx, derzeit in aller Munde - und Ausdruck der Unsicherheit für die Situation der Kirche. Jürgen Bereiter, seit vielen Jahren Gesprächsbegleiter im Kontaktpunkt, sorgt sich um das Erscheinungsbild der Kirche und sieht darin einen Grund, weshalb die Gesprächsnachfrage in der Pandemiezeit nicht - was eigentlich zu erwarten gewesen wäre - zugenommen hat. Eine Erfahrung, die auch andere, mit dem Kontaktpunkt vernetzte, caritative Organisationen, wie Krisendienst Bayern, Telefonseelsorge, Kommunale Jugendarbeit oder Erziehungsberatung der Caritas, gemacht haben.

Zum Thema Aufarbeitung der Amtskirche in Sachen Missbrauch versetzt er sich in die Lage eines Zweifelnden und meint: "Wenn Du selbst in der Glaubenskrise bist, dann wendest Du Dich zur Beratung nicht an die Kirche." Diese Einschätzung bestätigt Rainer Ziegler, der auch als Kurseelsorger mit vielen Gläubigen im Gespräch ist: "Gerade, wenn Menschen mit dem Glauben hadern, vielleicht gar aus der Kirche austreten wollen, suchen sie Orientierung." Ungerechtfertigter Weise werde man mit den Vorgängen der Amtskirche gleichgesetzt. Aber Ziegler und sein Team stellen sich dieser Herausforderung, indem er und sein Team deutlich machen: "Wir sind nicht das Sprachrohr, sondern die Werkstatt der Kirche."

                       Artikel von: Werner Vogel
                        Veröffentlicht von: Saale-Zeitung 15.06.2021